Donnerstag, 3. August 2017

Istanbul Spaziergang - Von der Galatabrücke zum Valens Aquädukt - 2. Teil


Eski Imaret Moschee, ehemals Kirche des Christos Pantepoptes,
umgeben von alten osmanischen Holzhäusern



Dieses ist der zweite und letzte Teil meiner Wanderung. Den ersten Teil kann man hier lesen.

Nach dieser Erholung im Teegarten bei der Molla Zeyrek Moschee sind wir gewappnet für den Rest des Weges, der uns in ein Gewirr von Gassen führt. Für mich sind nicht so sehr die Sehenswürdigkeiten der Reiz, da diese meist nur vom geringen Besichtungswert sind, sondern der Reiz liegt einerseits darin, diese überhaupt erst zu finden, quasi wie eine kunsthistorische Schnitzeljagd, und andererseits die Viertel die man dabei sieht, und die kaum jemals ein Tourist betritt. Beispielsweise muss man schon genauer schauen, um einen mutmaßlichen Rest des Pantokrator Klosters (heutige Molla Zeyrek Moschee) zu erblicken, vielleicht eine Bibliothek oder eine Grabkapelle, die von den Einwohner unter dem Namen Şeyh Süleyman Mescidi bekannt ist. Unten besteht diese jetzige kleine Moschee aus einem Kubus, während die obere Hälfte ein Achteck ist, welches durch acht Fenster akzentuiert wird.


Şeyh Süleyman Mescidi, evtl. ehemalige Bibliothek des
Pantokrator Klosters


Noch ein Beispiel einer Sehenswürdigkeit, die nur einen geringen Schauwert bietet, ist die kleine Hacı Hasan Mescidi, errichtet vom Kazasker (Heeresrichter) Hacı Hasanzade Mehmet Efendi um 1500 herum. Einzig interessant an dieser Moschee mit holzgedecktem Flachdach ist das Minarett, welches von den Anwohnern Eğri Minare ( = Schiefes Minarett) genannt wurde. Früher war es wohl etwas schief, heute hab ich davon nichts mehr feststellen können. Interessant daran ist das versetzte Schachbrettmuster aus Ziegelstein und Haustein, eine Besonderheit in Istanbul, und das schöne Stalaktitenwerk beim Balkon mit seinem durchbrochenem Steinumgang. Vielleicht etwas zu ausladend für den schlanken Minarettschaft, aber schön. In der frühosmanischen Zeit experimentierten die Architekten immer wieder mit verspielten Elementen aus seldschukischer Zeit, so auch an der Prinzenmoschee. Also größere Farbigkeit und Ornamentik auch am Äußeren von Moscheen. In der klassischen Zeit osmanischer Architektur löste man sich aber von diesem persisch beeinflussten Geschmack, und ließ diese Verspieltheit zugunsten von klarerer Formensprache und Rhythmus der Bauteile fallen.


Schönes Minarett der Hacı Hasan Mescidi

Eski Imaret Moschee


Das nächste Gebäude ist nicht nach einer Suche zu finden, weil es imposant genug ist, um schon gleich aufzufallen, die Eski Imaret Moschee ( = Moschee der alten Armenküche), ehemalige Kirche des Christos Pantepoptes ( = Allsehender Heiland). Errichten ließ sie schon wieder eine Frau,  nämlich Kaiserin Anna Delassena, zwischen 1085-1090. Sie war die Mutter des Alexios Komnenos, eines des Mitbegründers der mächtigen Komnenendynastie, die das byzantinische Reich nochmal auf einen Höhepunkt führte, bevor die Kreuzritter die Stadt eroberten und plünderten. Sie regierte das Reich neben ihrem Sohn fast zwanzig Jahre lang.


Eski Imaret Moschee, rechts die nach Osten gerichtete Apsis


Außen ist die Kirchenmoschee pittoresk von einigen restaurierten alten Holzhäusern im osmanischen Stil dicht umgeben. Noch vor 30 bis 40 Jahren bestand das halbe Viertel aus diesen Häusern, wurden aber durch Bauspekulation, mangelndem Bewusstsein für Denkmalschutz, Bränden, Verwahrlosung, und andere Gründe durch immer gleiche Betonhäuser ersetzt. Trotz der engen Bebauung um die Kirche, bietet sie mit ihrer ornamentalen Verwendung des Ziegelsteins von Außen einen großen Reiz. Man erkennt Mäander, Winkelkreuzmotive und rosettenartige Medaillons.


Blick auf die südliche Schildwand mit gerippter Kuppel auf Tambour
und vier Pendentifs. Darauf sind kalligraphisch die Namen der ersten
vier "rechtgeleiteten" Kalifen aufgemalt. Von oben nach unten und von
links nach rechts: Umar, Ali, Abu Bakr und Uthman

Treten wir ins Innere, sehen wir wieder den Viersäulen-Typus, mit drei Apsiden und doppelten Narthex. Einige schöne rote marmorne Türrahmen haben sich erhalten. Die Säulen wurden im Laufe der Jahrhunderte auch hier durch Pfeiler ersetzt, und die Fenster etwas verkleinert, damit das Mauerwerk durch Erdbeben weniger gefährdet wird. Über dem inneren Narthex verläuft die Empore, die durch eine reizvolle Triplearkade mit zwei rosa marmornen Säulen sich zum Hauptschiff öffnet. Heute ist diese Öffnung verglast, und dahinter vernahm ich Koranschüler, wie sie Suren in einem "Singsang" rezitierten (nicht pejorativ gemeint). Warum auf einer der Metallstreben über dem Raum eine Gebetskette (Tesbih) hängt, kann ich nicht sagen. Vielleicht hat jemand damit herumgeworfen, und sie blieb dort oben hängen?


Säulen wurden durch Pfeiler ersetzt

Blick nach Westen, in den Eingangsbereich, mit doppeltem Narthex, darüber
eine heute verglaste Frauenempore mit Säulen aus Rosengranit


Schauen wir etwas höher, erblicken wir eine 4,5 Meter breite Kuppel mit zwölf Fenstern, unterteilt durch zwölf Rippen, die sich unten auf ein Kranzgesims treffen, welches aus einem Mäanderornament aus Palmetten und Blumendekor besteht. Ohne den Hinweis in Reiseführern wären mir viele solche Details selten aufgefallen, da auch der Innenraum der Moschee gänzlich weiß getüncht wurde, und somit architektonische Bauelemente in der Ferne verschwimmen. Auffälliger sind da schon die marmornen Gesimse im Narthex.


Blick in den nördlichen Bereich mit der linken Apsis am Ende


Blick von der südlichen Apsis aus Richtung Narthex. Kranzgesimse mit
Ornamentik haben sich hier noch erhalten.



Die Seitenapsiden werden durch interessante Kreuzgewölbe überdeckt,
und durch byzantinische Kranzgesimse geschmückt

Die Tonnengewölbe unterhalb der Kuppel weiten den Raum
kreuzförmig aus

Detailansicht der Übergangszone der Kuppel mit dem Kranzgesims


Hier sehen wir beispielsweise ebenfalls meinen persönlichen Reiz solcher intensiven kunsthistorischer Spaziergänge. Es ist für mich nicht nur wie oben beschrieben spannend, wie in einer Schnitzeljagd halb verborgene Sehenswürdigkeiten zu finden, sondern auch die in kunsthistorischen Reiseführern beschriebenen Details zu entdecken. Das mäandrierende Kranzgesims unterhalb der Kuppel ist nun für mich nicht so das Top Aha-Erlebnis, versetzt mich nicht gerade in Ekstase eines künstlerischen Hochgenusses. es ist eher die Befriedigung, quasi wie in einem Bilderrätsel die in Texten beschriebenen Details auch vor Ort entdecken zu können. Vor allen Dingen nachvollziehen zu können, zum Beispiel architektonische Kniffe nachvollziehen zu können, Raumwirkungen verstehen zu können.

Die alte Spitze der Kuppel wird nach der Restaurierung in der Moschee
gezeigt

Geht man die hintere Treppe zur Frauengalerie hoch, bekommt man einen
Überblick über den heutigen Gebetsraum, mit der südöstlich ausgerichteten
Gebetsrichtung, weshalb dieses schief wirkt, da die Kirchen nach Osten
ausgerichtet ist. Schlichter Mihrab und Minbar.

In byzantinischer Zeit waren alle Wände mit figürlichen Goldgrundmosaiken
geschmückt, die in osmanischer Zeit aufgrund des sog. Bilderverbots in
Sakralbauten zerstört und zum Teil überdeckt wurden. Aber auch nicht immer
gleich nach der Eroberung Konstantinopels. Manchmal dauerte es bei einigen Kirchen
hunderte Jahre, bevor sich jemand daran störte, und
die menschlichen Abbildungen übertünchte.


Die Kaiserin Anna Delassena zog sich die letzten Lebensjahre in diese Kirche zurück, um asketisch den Lebensabend zu verbringen. Nach der Eroberung durch die Kreuzfahrer im 13. Jahrhundert, wurde das Gebäude als Benediktinerkloster genutzt, und behielt diese Funktion auch bis zur osmanischen Eroberung 1453, wo es als eines der ersten Gebäude der Stadt zu einer Moschee umgewidmet wurde. Auch hier sehen wir auf dem Gebetsteppich wieder schräg zu den Wänden verlaufende Linien, die die Gebetsrichtung nach Mekka markieren.


Marmoner Türrahmen vom Esonarthex (Vorhalle) in den Kirchenraum.
Jetzt führt hier eine Treppe zur Frauenempore, wo heutzutage wohl der Raum
zum Unterricht des Korans genutzt wird.

Blick vom Exonarthex (also der äußeren der beiden Vorhallen) in den
Esonarthex dahinter, und in den Moscheeraum bis hin zum Mihrab,
die die Gebetsrichtung Mekka weist. Dieser Türrahmen besteht aus
einem besonderen Gestein, es war so dunkel dort, dass ich ihn nicht
bestimmen konnte, vielleicht Porphyr, jedenfalls ist die zentrale
Achse damit akzentuiert worden - für die Kaiser.

Bevor wir rechts die Moschee wieder verlassen, noch ein Blick in den
Exonarthex mit Kreuzgewölbe und Kranzgesims. Hinter den Paravents beten
wohl die Frauen.


Man könnte nun noch einigen Gebäuden einen Besuch abstatten, unter anderem zwei Moscheen, dessen einziger Reiz vielleicht darin besteht, dass erstere in Googlemaps erst beim Heranzoomen von unter 10 Metern Erwähnung findet (so unbedeutend erscheint diese), und letztere Moschee die zweitälteste der Stadt ist. Wie gesagt, man könnte das jetzt überspringen, und beim Çinili Hamam weiter besichtigen. Na gut, machen wir die Schnitzeljagd ein wenig weiter, und besuchen mittels meinen Fotos die Aşık Paşa Moschee, eine Moschee, die ihren Namen vom legendären Dichter Sultan Orhan I. (~ 1281-1359) erhielt, als Bursa noch Hauptstadt des jungen osmanischen Reiches war. 1554 wurde sie von einem angeblichen Nachfahren des Dichters, Şeyh Ahmet Efendi, erbaut. Sie wird oder wurde jüngst restauriert, und man sieht sehr schön den Schichtwechsel von Hausteinen und Ziegeln, ein Motiv, dass uns den ganzen Tag schon begleitet. Gegenüber der Moschee befindet sich das Mausoleum des Stifters (Türbe) und nebenan ein früher errichtetes Derwischkloster.


Aşık Paşa Moschee. Leider kommt man nicht hinein, wieso wohl?
Wieder Restaurierung. ;)

Aşık Paşa Moschee und gegenüber die Türbe des Stifters


Wühlen wir uns weiter durch das Straßengewirr, kommen wir nun zur unscheinbaren Yarhisar Moschee ("Moschee des Geliebtenschlosses"), zweitälteste Moschee der Stadt nach der oben besichtigten Sagrıcılar Camii, und einem gleichen Bauschema folgend. 1461 von einem Richter der Stadt errichtet, Muslihettin Mustafa Efendi. Sie wurde mal im 20. Jahrhundert bei einer Restauration arg "verschlimmbessert". Später wurde sie dann erneut restauriert, und die Fehler ausgebessert, so dass sie uns heute so erscheint, wie auf dem Foto.


Yarhisar Moschee, mit zweijochiger Vorhalle, ganz hinten im Hintergrund, erkennt
man grün den gegenüber auf der anderen Seite des Goldenen Horns
befindlichen Zindan Arkası Friedhof


Unterwegs im Viertel kann man immer wieder alte osmanische Holzhäuser
sehen, die restauriert und vor dem Verfall gerettet wurden und sich zwischen
die Häuser aus Beton zwängen. Dieses hier ist schon eher eine Villa
mit westlichen Elementen und daher etwas untypisch im Aussehen


Wenn wir uns wieder Richtung Atatürk Boulevard wenden, und an der Molla Zeyrek Camii vorbeigehen, kommen wir zum Çinili Hamam ("Fayencen-Bad") an der Iftaiye Caddesi - Feuerwehrstraße. Ein frühes Werk von Sinan, ca. 1545 für den berühmt berüchtigten Admiral und Korsaren Barbaros Hayrettin Pascha (Barbarossa) erbaut. Es ist wie meistens ein Doppelbad, getrennt nach einer Abteilung für Männer und einer für Frauen, hier aber unüblicherweise mit den Eingängen auf derselben Fassadenseite gebaut. Beide Hälften des Bades sind architektonisch fast ein Spiegelbild mit Umkleidesaal, Kaltraum für den Übergang der Temperaturen, und dem eigentlichen Heißsaal, das man im Vordergrund des Fotos sieht. Leider wird dieses osmanische Bad restauriert und ist daher geschlossen, wie bestimmt ein Viertel aller Sehenswürdigkeiten bei meiner Reise. Innen könnte man Reste von jüngeren Fliesenfeldern entdecken, die leider nicht mehr das halten, was der Name des Hamams verspricht. Brände und Erdbeben, sowie Verfall und Verwahrlosung haben unwiderbringlichen Schaden angerichtet, bevor es Anfang der 1970er restauriert wurde und als Hamam daraufhin auch genutzt wurde.


Çinili Hamam


Gehen wir weiter Richtung Valens Aquädukt die "Feuerwehrstraße" entlang, kommen wir zu einer von doppelten Platanenreihen beschatteten langgezogenen Fußgängerzone, einem Marktviertel, welches noch einen altertümlichen Charme ausströmt und geschäftiges Treiben zeigt. Er ist bekannt unter dem Namen Kadınlar Pazarı (Frauen Basar) oder Siirt Pazarı. Auf winzigen Hockern sitzen überall Menschen, und schlürfen ihren Tee, wobei der Menschenschlag doch eher eine ländliche Herkunft zeigt, was auch den urtümlichen Charme ausmacht. Wir haben schon anhand des Namens des Basars eine Vorstellung davon, wieso dieser Markt einer sehr viel ländlichere Atmosphäre ausströmt, denn ich vermute, die vielen Spezialitäten aus Siirt, Adıyaman, Mardin, Diyarbakır, Bitlis, Muş und Umgebung, also aus dem Osten der Türkei, verweisen auch auf die Herkunft der überwiegenden Basarbesucher und Geschäftsinhaber, nämlich jene Einwanderer nach Istanbul, die in Wellen der Landflucht seit den 1950er Jahren dafür sorgten, dass sich Istanbuls Einwohnerzahl etwa verzehnfacht hatte. Sie fanden wohl Wohnraum im damals günstigen und teils verfallenen Stadtviertel Fatih, der hier an den Atatürk Boulevard heran reicht. Ist bestimmt nicht der schönste Marktplatz in Istanbul, aber hier findet sich nicht ein einziger Tourist und auch die Infos die man so im Internet auf die Schnelle findet, deuten doch eher auf einen "Geheimtipp" hin - für diejenigen, die noch einen Markt suchen, in dem vorwiegend Einheimische einkaufen und sich aufhalten.


hier fährt man mit seinem Auto in die "Waschstraße" quasi durch einen
Metzgerladen

ein Wagen einer religiösen Stiftung verteilt kostenlos türkische Süßigkeiten.
Rechts im Hintergrund das Çinili Hamam

in den Läden dieses Basarviertels lassen sich allerlei Spezialitäten entdecken,
hier Seifen in allen Regenbogenfarben und mit spezifischen Charakteristika


Nachdem wir vielleicht bei einer Süßigkeit und einer Tasse Tee die Atmosphäre des Platzes aufgesogen haben, betrachten wir nun etwas näher das Monument, welches wir schon lange von Weitem erblicken konnten. Der Aquädukt des römischen Kaiser Valens. Diese überirdische Wasserleitung wurde 375 n. Chr. erbaut, als die Wasserversorgung der erst kürzlich zur Hauptstadt des römischen Reiches ausgerufenen Stadt neu geregelt wurde. Das Wasser kam aus Seen und Flüsschen außerhalb der Stadt und wurde unterhalb der theodosianischen Landmauer in Höhe des Edirne Kapıs unter die Mauern durchgeleitet.Ungefähr an der Stelle, wo sich nun die Sultan Mehmet II. Fatih Moschee befindet, trat die Wasserleitung aus der Oberfläche heraus, und wurde über den tiefen Talabschnitt gegeleitet, das den Vierten vom Dritten Stadthügel trennt. Ursprünglich war es ca. 1000 Meter lang, heute sind noch ca. 800 davon erhalten. Die höchste Stelle erreicht das Aquädukt beim überspannen des Atatürk Boulevards mit etwa knapp 30 Metern. Auf dem Dritten Stadthügel etwa dort, wo sich heute der Beyazıtplatz erstreckt, stromte das Wasser dann in eine große Zisterne, von wo es aus in andere Stadtviertel verteilt wurde. Das Wasser floß dabei durch eine doppelte Wasserröhre mit einem Gefälle von 1:1000. Die römischen und byzantinischen Kaiser, ebenso wie die osmanischen Sultane, restaurierten bei Bedarf die Wasserleitung, Ende des 17. Jahrhunderts wurde dieses Netz zuletzt aufwändig instand gehalten, und noch in den 1970er Jahren bezeichneten die Anwohner das Wasser, was wohl vorrangig vom Terkos/Terkoz-See stammte (heute umbenannt in Durusu See), als "içilmez", als untrinkbar, womit sie den Wassergeschmack meinten, damals noch ungechlort, quasi die Provinenz, nicht die Wasserqualität.


Der mächtige Valens Aquädukt bildet fast das Ende unseres Spazierganges.
Im Schatten der Rundbögen lässt sich mit Blick auf den dahinter liegenden
Park bei einer Tasse Tee gut der Tag ausklingen


Bevor wir unter den mächtigen doppelten Arkaden des Valens Aquäduktes schreiten, können wir noch ein Blick auf eine kleine schöne Külliye richten, die sich unmittelbar an den Aquädukt anschmiegt: Die Medrese des Gazanfer Ağa ("Herr Löwenmut"). 1599 wurde diese kleine reizvolle Medrese, samt Türbe des Stifters (Mausoleum), sowie ein anmutiges Brunnenhaus mit reizvollen Gittern (Sebil) errichtet. Gazanfer Ağa war Chef der Weißen Eunuchen im Harem des Sultans Mehmet III. und der letzte auf seiner Position, der Einfluss auf die Politk des Serails hatte. Denn nach ihm eroberten die Oberen der Schwarzen Eunuchen im Intrigenspiel des Palastes diese einflussreiche Position. 1945 wurde der Stiftungskomplex restauriert, und diente in der zweiten Hälfte des 20. Jh. als kleines Stadtmuseum mit Exponaten der Stadtgeschichte, danach als Karikaturen Museum, bevor es dann im neuen 21. Jahrhundert geschlossen und in eine religiöse Stiftung und Kulturzentrum umgewandelt wurde. Wie so oft, geschlossen, aber immerhin kann man durch das Gitter einen Blick ins Innere der Anlage werfen, wenn auch nicht ins Innere der Medrese.


Medrese des Gazanfer Ağa, dahinter der Valens Aquädukt, links behängt mit
einem dieser riesigen Plakate, die in der ganzen Stadt hängen,
und die den Sieg der Nation über die Putschisten
Mitte des Jahres 2016 feiern sollen, und die Nation
mit ihren Sprüchen beschwören sollen



Monument zu Ehren von Sultan Mehmet II, Fatih, der Erober von
Konstantinopel und sein Gefolge im Fatih Anıt Park


Hinter dem Aquädukt erstreckt sich bis zur großen Kreuzung der sich schon seit der Spätantike kreuzenden Straßen, der Fatih Anıt Parkı, der Fatih Gedächtnis Park, mit einer modernen Skulptur die den Eroberer von Konstantinopel, Sultan Mehmet II. Fatih, (auf türkisch Fatih Sultan Mehmet, kurz Fatih) zusammen mit seiner Tuğra (Unterschrift, großherrschaftliches Siegel) heroisch darstellt. Früher lag hier wahrscheinlich das byzantinische Forum Amastrianum, ein Platz wo die Byzantiner öffentliche Hinrichtungen abhielten.

Da wir uns am Rande oder auch im erzkonservativen Viertel Fatih
befinden, laufen einem schon mal ein paar Türkinnen mit
dem iranischen Tschador über den Weg. Es sind aber doch nicht
so viele, wie vielleicht vorher gedacht. Hier an der großen Kreuzung
am Rathaus, sieht man im Hintergrund die Prinzenmoschee, die wir
im letzten Blogartikel schon mal von weitem in der Panoramasicht
erblicken konnten


Direkt an der Kreuzung sehen wir auf der einen Seite das Rathaus, 1953 von einem türkischen Architekten erbaut, mit moderner zu jener Zeit üblichen Formensprache, dezenten Anklängen an die osmanische Tradition durch ornamentaler Verwendung von Fliesen, sowie auffälligen Bögen auf dem Dach.


Das moderne Rathaus. Oben auf der Terrasse soll es auch ein Restaurant, bzw.
eine Kantine geben. Früher soll man da auch als Tourist mal reingelassen
worden sein. In der heutigen Türkei sieht man das aber nicht mehr so
locker wie früher, und man braucht für alles offizielle Genehmigungen,
zumindest dann, wenn man eine Spiegelreflexkamera um den Hals
baumeln hat.


Daneben, auf der anderen Straßenseite kommen wir dann zum letzten Punkt unserer Sehenswürdigkeiten, die Ruinen der byzantinischen Kirche des Heligen Polyeuktos.Diese verschüttete Kirchenreste wurde bei den Bauarbeiten dieser Kreuzung im letzten Jahrhundert freigelegt, von Byzantinisten und Archäologen erforscht und konserviert. Danach wurde die Kirchenruine in einem Saraçhane Arkeoloji Parkı genannten archäologischen Park der Öffentlichkeit übergeben. Dabei wurden die wertvollsten Stücke ins Archäologische Museum Istanbul gebracht und können dort heute noch bestaunt werden, und einen Einblick in die hohe Steinmetzkunst des spätrömischen Reiches geben. Heute bietet sich hier ein eher trostloser Anblick von Substruktionen der Kirche, der ähnlich war, wie vor zwanzig Jahren, nämlich als eine Mischung aus öffentlichen Pissoir und Müllhalde. Obwohl es eigentlich ein Park sein soll, der zudem nun durch einen hohen Zaun abgesperrt wird, bieten die vielen Nischen und Mauerreste wohl eine unwiderstehliche Versuchung mitten an einem Verkehrsknotenpunkt mal sich zu erleichtern oder seine Zeitung wegzuwerfen. Leider war ich wohl zu spät angekommen, denn der Park war schon geschlossen, aber die "Düfte" waberten mir dennoch in die Nase. Erstaunlicherweise war die Stifterin dieser sehr großen Kirche schon wieder eine Frau. Man könnte diesen Spaziergang durch Istanbul eigentlich auch unter dem Titel "Auf den Spuren der Frauen Istanbuls" bezeichnen. Die Kaisertochter Anicia Juliana ließ 524 bis 527 diese dem Märtyrer und Heiligen Polyeuktos gewidmete Kirche erbauen. Sie ist also eine der frühesten unter dem Kaiser Justinian errichteten Bauten. Dieser Polyeuktos soll der Legende nach im 3. Jahrhundert Götterstatuen zerstört haben, und dafür von den Römern gefoltert und enthauptet worden sein. Die Kirchenbasilika war gleich eine der sehr großen Kirchen der Stadt, mit 52 Meter im Geviert. Zur Veranschaulichung, die Sultan Süleyman Moschee hat 1000 Jahre später 58 Meter im Geviert. Im 11. Jahrhundert wurde diese Kirche aufgegeben. Einige wenige Reste des Bauschmucks sind noch vor Ort anzuschauen, das Wertvollste wie oben erwähnt im Archäologischen Museum, bis auf eine wunderschöne Säule: Die haben die venezianischen Kreuzritter beim Plündern das Stadt mit nach Venedig genommen (neben anderen Stücken dieser Kirche) und vor die Südseite der Kirche San Marco aufgestellt, wo sie heute noch bewundert werden kann, neben anderem Raubgut aus dem damaligen Konstantinopel,wie zum Beispiel die berühmte Quadriga.

Ruinen der Polyeuktos Kirche, leider schon geschlossen gewesen

Substruktionen der Polyeuktos Kirche


Das war ein Spaziergang durchs eher unbekannte Istanbul, der bestimmt einen halben Tag benötigt, wenn man viel fotografiert und vielleicht noch länger in den diversen Einkaufsstraßen schlendert auch einen ganzen Tag. Geprägt ist er nicht immer von weltberühmten allererste-Sahne-Sehenswürdigkeiten, aber dennoch bieten viele Bauwerke etwas besonderes, was man so woanders in der Stadt nicht finden kann. Und sei es auch nur, dass man hinterher in Deutschland damit angeben kann, dass man vielleicht zu Einem jener erlauchten zweistelligen Anzahl von Leuten hierzulande gehört, die viele der beschriebenen Gebäude jemals im Leben gesehen haben. ;) Außerdem vervollständigt man durch solche Spaziergänge die Kenntnisse der Geschichte der Stadt und seiner Reiche.

Den ersten Teil des Spazierganges mit meist interessanteren Sehenswürdigkeiten und entsprechenden Fotoinformationen kann man hier lesen.




wir kehren wieder dahin zurück, woher wir gestartet sind, nämlich zum
südlichen Kopf der Galatabrücke, wo wir uns nochmal das Kuppelgewirr
der Sultan Süleyman Moschee und Rüstem Pascha Moschee anschauen



Dort vor der am Ufer liegenden Yeni Moschee könnten wir uns den
Staub von den Schuhen putzen lassen

Da ich auf der asiatischen Seite wohnte, habe ich jeden Tag noch
das Highlight einer Bosporus Überquerung vor mir. Es sei denn,
man fährt mit der U-Bahn unter dem Bosporus hindurch, was
neuerdings möglich ist.


Am Kopf der Galatabrücke in Eminönü, mit der Yeni Moschee links
und der Sultan Süleyman I. Moschee rechts


letzter Blick zurück nach Europa, zur Galatabrücke, wo wir gestartet sind
hin zur rechts befindlichen Fatih Sultan Mehmet II. Moschee, wo wir
dieses Viertel durchstreift haben.


Montag, 31. Juli 2017

Istanbul Spaziergang - Von der Galatabrücke zum Valens Aquädukt - 1. Teil


Blick über Istanbul vom Süden aus. Links der Galata Turm, dann
die Galatabrücke mit der Mündung des Goldenen Horns,
die Yeni Moschee direkt am Ufer,
 rechts der Bosporus mit der Bosporusbrücke im Hintergrund


Ein Spaziergang führte mich im September 2016 durch wenig von Touristen bevölkerte Viertel Istanbuls. Dieser ca. fünf bis sechs Kilometer lange Weg beginnt beim Alt-Istanbuler Kopf der Galatabrücke, der den Eingang des Goldenen Hornes in den Bosporus markiert, führt entlang des südlichen Ufers des Goldenen Horns und knickt dann in südlicher Richtung hinein in die verwinkelten Gassen Alt-Istanbuls auf Höhe des Atatürk Boulevards und endet etwa beim Ratshaus der Megametropole. Neben einer meist kunsthistorischen Betrachtung, verbunden mit der Frage, was denn das eine oder andere Bauwerk so besonders macht, versuche ich durch das zahlreiche Einbetten von meinen Fotos, das Beschriebene greifbar zu machen (Fotos sind anklickbar zum Vergößern).


Der Spaziergang dargestellt in Google Maps


Links die Yeni Moschee, dann mit einem roten Banner verdeckt,
der Eingang zum Ägyptischen Basar, dahinter der Beyazit-Turm
der Istanbuler Uni, rechts auf dem 3. Stadthügel die
Sultan Süleyman I. Moschee
Der Kopf der Galatabrücke ist Ausgangspunkt einiger Spaziergänge durch die Stadt, kreuzen sich hier doch viele Verkehrswege zu Wasser und zu Lande. Entsprechend geschäftiges Treiben ist auch zu beobachten, wenn die Fähren vom Bosporus oder dem alten natürlichen Hafen des Goldenen Hornes ihre Passagiere in Schüben ausspeien, diese dann eilig versuchen die Metro, die Busse, die Straßenbahn oder die Minibusse zu erreichen, während andere erst einmal bei einem Fischbrötchen Rast machen. Frisch gefangen und gegrillt auf einen der manchmal prächtig dekorierten Boote, die entlang des Goldenen Hornes ankern.

Dabei könnten diese Rastenden den Blick von links nach rechts schweifen lassen, entlang der Galatabrücke zur direkt am Ufer gelegenen hoch aufragenden Yeni Cami ("Neue Moschee", 17. Jh.), zum dahinter liegendem ersten von sieben Stadthügel, mit dem thronendem Topkapi Palast der osmanischen Sultane, der rechts daneben liegenden majestätischen Hagia Sophia, den Spitzen der Minarette der Sultan Ahmet I. Moschee, dann wieder den Blick herab senkend auf den Eingang des Ägyptischen Basars, und während man noch die rechts befindliche auffällige Silhouette des Kuppelgebirges der Sultan Süleyman I. Moschee auf dem dritten Stadthügel bewundert, nimmt einen die Kuppel der Rüstem Pascha Moschee davor in Beschlag. Der Blick wandert weiter Richtung Westen zum Goldenen Horn und an den Ufern befindlichen Landmarken während in der Ferne die weiteren Sultans-Moscheen auf den Hügeln thronen.


Topkapi Palast vom Goldenen Horn aus gesehen,
rechts der Korbmacher Pavillon (16. Jh.),
seit 2011 Sitz des grünen Halbmondes (Anti Drogen NGO)



Rechts vom Topkpapi Serail blitzen die Kuppeln der Hagia Irene
und der Hagia Sophia über den Gülhane Park hervor


Links unter dem roten Plakat der Ägyptische Basar, dahinter
 der Beyazit-Turm, die Galatabrücke, darüber
die Sultan Süleyman I. Moschee


Eingang zum Ägyptischen Basar, wo es besonders viele Gewürze gibt
(wird zurzeit restauriert und steht voller Gerüste)


Die Süleymaniye genannte Sultan Süleyman I. Moschee, umgeben von
osmanischen Universitäten, etwas tiefer die Moschee seines
Schwiegersohnes, Rüstem Pascha. Im Vordergrund das Gitter
der Galatabrücke


Auf dem vierten von sieben Stadthügeln thront
die Sultan Mehmet II., Fatih Moschee, die im 18, Jh. nach einem Erdbeben
 fast komplett neu gebaut werden musste. Rechts darunter
die Molla Zeyrek Moschee, ehemals Pantokrator Kirche, ein Ziel dieser
Wanderung. Rechts neben den Segelmasten ein Rest eines Turmes
der byzantinischen Seemauern, das als Gefängnis genutzt wurde.


Auf dem fünften Stadthügel, weiter stromaufwärts das Goldene Horn entlang,
liegt die Sultan Selim I. Moschee. Davor drei Türben (Mausoleen).
Im Vordergrund die Galatabrücke, dahinter die neue Metrobrücke


Galatabrücke vom Süden aus gesehen. Aus
der Richtung des großen gedeckten Basars.
Im Vordergrund sieht man das Dach
des Ägyptischen Basars

Das Viertel, wo wir starten, ist vielleicht einer der farbigsten von Istanbul: Eminönü. Ich komme darauf vielleicht noch einmal in einem anderen Spaziergangs-Artikel zu sprechen, möchte hier aber schon mal einige Hintergrundinformationen mitteilen. Im spätbyzantinischen Reich hatten nämlich hier die italienischen Stadtstaaten ihre Viertel verpachtet bekommen. Die Marktzone rechts der Brücke erhielten die Venezianer, die links der Brücke die Kaufleute aus Amalfi. Noch weiter links lagen dann die Kontorhäuser und Lagerhäuser von Genua und Pisa, die allerdings ansonsten eher nördlich des Goldenen Horns ihr Zentrum hatten - in Pera / Beyoğlu. Dort, wo heute die Yeni Moschee steht, befand sich im Mittelalter das Viertel der karäischen jüdischen Kaufleute, das wie ein Keil zwischen denen von Venedig und Amalfi lag. Anders als die Italiener, die nach der Eroberung der Stadt durch die Osmanen 1453 ihre Niederlassungen bis auf die in Pera verloren hatten, durften die jüdischen Kaufleute dort noch bis zum Brand 1660 Handel treiben. Danach wurden auch sie aufgrund der Moscheebaupläne der Yeni Moschee umgesiedelt, ins drei Kilometer stromaufwärts des Goldenen Horns gelegenen Viertels Hasköy. Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts mögen dort noch gelegentlich ihre Nachkommen anzutreffen sein. Ansonsten erlebte auch Istanbul ab Mitte des 20. Jh. und im 21. Jahrhundert die Flucht großer Teile der Juden - wie überall in mehrheitlich muslimischen Gesellschaften.
Von den Bauten der italienischen Stadtstaaten finden sich heute keine Spuren mehr südlich des Goldenen Hornes.

Konstantinopel zu byzantinischer Zeit. Auch wie es über die
Jahrhunderte durch die Kaiser erweitert wurde. Man sieht hier recht gut die
sieben Stadthügel, die sich in der Stadtsilhouette aber nur gering abheben.
Dennoch kann man diese erkennen, da auf deren Kuppen meist
repräsentative Gebäude errichtet wurden.



Noch immer gibt es Schuhputzer rund um die Yeni Moschee. Mit Lizenz.
Bis Ende der 1980er Jahre reichten die Bauten der Geschäfte, der Fabriken, der Manufakturen, der Kaianlagen, der Werften teilweise bis an das Ufer des Goldenen Hornes heran. Im Zuge einer umfassenden und teilweise auch rabiaten Stadtsanierung rund um das Goldene Horn, wurden diese oft entfernt, mitsamt damals noch stehenden Teilen der großen byzantinischen Seemauern sowie weiterer Bauten. Ersetzt wurden diese mit einem Stadtpark und Grünanlagen, die nun das südliche Ufer des Goldenen Hornes dominieren, sowie mit einer Sanierung des stinkendem faulendem Gewässers des Goldenen Horns, und dennoch findet man am Ufer noch einige interessante Bauwerke.



angebliches Grab von Cafer Baba im Gefängnisturm
Beginnen wir also mit dem Platz, der heute von Parkplätzen dominiert ist und Zindan Kapı heißt, zu deutsch, Gefängnistor. Hier sehen wir wie altersschwach angelehnt an ein Gebäude, tatsächlich noch einen Überrest der byzantinischen Seemauer: Einen Turm. Er scheint jahrhundertelang von den Byzantinern bis zu den Osmanen als Gefängnis gedient zu haben, und hier wurde in wundersamer Weise nach der Eroberung der Stadt 1453 von den Osmanen das Grab von Cafer Baba wiederentdeckt. Der Turm - der über Kerker errichtet wurde - verschmilzt mit dem Gebäude des Zindan Hans, einem Bauwerk des 19. Jh., welches auch als Han der Juweliere diente, und heute ein Restaurant mit guter Aussicht beherbergt (Surplus Restaurant). Das Grab dient bis heute als Stätte frommer Verehrung, und rettete wohl den Gefängnisturm vor der Zerstörung. Cafer Baba soll nach einer lokalen Legende als Gesandter Harun ar-Raschids nach Konstaninopel gekommen sein, wurde jedoch in Ketten gelegt und soll hier verstorben sein.


Grab von Cafer Baba


Der große Reisende, Schriftsteller und als "kleiner osmanischer Münchhausen" geltende Evliya Çelebi (1611 - 1683) schreibt:

Cafer Baba wurde im Kerker der Ungläubigen in einem Winkel begraben, wo bis zum heutigen Tage seinem Namen Schimpf widerfährt durch all diese glaubenslosen Malefizbuben, Schuldner, Mörder - und was sonst noch -, die hier in Banden lagen. Als aber - Gott sei gelobt! - Istanbul erobert ward, wurde des Cafer Babas letzte Ruhestatt im Turm des Bagno ein Zielort frommer Wallfahrer, vornehmlich solcher, die aus Gefängnissen entlassen waren, und die nun, den Flüchen der Ungläubigen zum Spott, hier ihre Segenswünsche rufen.

Früher soll der Heilige im oberen Stockwerk des Turmes begraben worden sein, heute befindet sich sein Grab im Erdgeschoss.



Ahi Çelebi Moschee mit Kuppeln des Portikus rechts,
dahinter die Sultan Süleyman Moschee
Auf dem Weg zur Ahi Çelebi Moschee gleich in der Nähe, können wir Überreste alter Gemäuer entdecken, wahrscheinlich eines der Seetore aus byzantinischer Zeit. Nach der Eroberung der Stadt nannten hier ansässige Griechen das Tor als "Tor der Karavellen" wegen der Schiffe, die hier festmachten. In türkischer Zeit hieß dieses Yemiş Iskelesi (Obst-Kai), wegen all der Schiffe die Obst zum Großmarkt brachten. Wie schon erwähnt, gibt es aber heute keine Anleger mehr, jenseits von Fähranleger für Passagiere am Goldenen Horn und einigen wenigen Werften. Heute gelangen wie überall in der industrialisierten Welt die Obst- und Gemüsewaren mittels Container in den Großhandel. Kurz darauf sehen wir die kleine gedrungene Moschee des Ahi Çelebi ibni Kemal, die im typisch byzantinischem Stil beeinflusst ist, den wir so häufig in Istanbul antreffen: Der abwechselnde Schichtwechsel der Mauern von Haustein und rotem Ziegelstein, der Bauten bei Erdbeben besonders widerstandsfähig macht. Wann die Moschee errichtet wurde, ist nicht bekannt. Ahi Çelebi war Chefarzt im Krankenhaus des Sultans Mehmed II, des Eroberer (reg. 1451 - 1481), und starb 1523 nach seiner Rückkehr der Pilgerfahrt nach Mekka. Eine Besonderheit stellt der  Portikus dar, der geschlossen ist und höhlenartig eng wirkt, weil er durch zwei massive Stützpfeiler in der Raummitte verstellt wird. Diese tragen zusammen mit den entsprechenden Pilastern an den Wänden sechs Kuppeln.


Ahi Çelebi Moschee von innen. Mächtige gedrungene Pfeiler stützen die
Spitzbögen. Das bekommen die osmanischen Baumeister später eleganter hin.


Besonders erwähnenswert oder besuchenswert ist die Moschee eigentlich nicht, wäre da nicht eine Anekdote des oben erwähnten Evliya Çelebi, die diesen Ort zum Leben erweckt, und wie so oft in Istanbul unscheinbare "tote Steine" zum Leben erweckt, und man hinter jeder Ecke der Stadt plötzlich die Vergangenheit vor sich abspielen sieht, sofern man denn darüber sich etwas angelesen hat. Die Moschee selbst ist unspektakulär: Eine Kuppel wird durch vier Schildwände, bekrönt von Spitzbögen, gestützt. Gedrungene Pfeiler trennen zwei Seitenschiffe vom Hauptraum ab, so dass sich ein querrechteckiger Raum ergibt. Evliya schreibt also im Buch der Reisen (Seyahatname), wie er Zwanzigjährig in einer Nacht des Fastenmonats 1631 einen Traum gehabt habe. Er befände sich damals in dieser Moschee beim Gebet, als plötzlich die Moschee sich füllte mit "strahlenden heiligen Männern", und auf dem Schlachtfeld gefallener Helden beziehungsweise Märtyrer. Zuletzt trat sogar der Prophet Muhammad persönlich in die Moschee ein, um Evliya zu verstehen zu geben, dass dieser sein Leben auf Reisen widmen sollte. Evliya konnte es kaum glauben, was er da geträumt hatte, und so beschloss er einen Traumdeuter in der damaligen Vorstadt Kasım Paşa auf der anderen Seite des Goldenen Horns aufzusuchen, der außerdem Gesichter deuten konnte. Wie konnte es anders sein, als dass er seine Bestimmung, seinen Traum, bestätigte, woraufhin Evliya beschloss, sein Leben den Reisen und der Geschichtsschreibung und Erlebnisberichten zu widmen - manchmal mit einem Augenzwinkern geschrieben, weshalb man nicht alles ernst nehmen darf was er so berichtet. Dennoch sind seine Bücher unschätzbare Quellen über das osmanische Reich des 17. Jahrhunderts.
Ich war zufällig zur Gebetszeit wochentags anwesend, und die Beobachtung in dieser kleinen Moschee, wie auch in anderen größeren Moscheen Istanbuls waren immer dieselben: Richtig voll waren fast keine der Moscheen. Voller wurden sie nur am Freitag, dem "islamischen Sonntag".

Am Rande des Basarviertels, wo es gelegentlich vorkommt, dass sich eine Straße
auf eine Ware oder eine Produktgattung spezialisiert hat - z. T. bis heute

Gehen wir weiter an der Uferstraße des Goldenen Horns entlang, erreichen wir drei der ältesten Moscheen der Stadt, alle unscheinbar, aber doch die Vergangenheit dieser Gegend lebendig werden lassend. Dabei können wir auch durch die nördlichen Gassen des Basarviertels streifen, der den gesamten zweiten Stadthügel umfasst, mit dem Zentrums des großen gedeckten Basars (Kapalı Çarşı) und der Nuru Osmaniye Moschee auf dem Gipfel des Hügels. Hier unten am Ufer sind die äußersten Ausläufer dieses Basarviertels.


Minarett der kleinen Kantacılar Mescidi

Als erstes erreichen wir die Kantacılar Mescidi, den "Gebetssaal der Waagenmacher", deren Zunft hier seit Jahrhunderten ansässig war. Sarı Demirci (Feinschmied) Mevlana Mehmed Muhittin hat sie während der Herrschaft Sultan Mehmed II. errichten lassen (15. Jahrhundert). Als Mescit wird in der Türkei eine kleinere Moschee bezeichnet, die, im Unterschied zur Cami, nicht für das Freitagsgebet bestimmt ist und deshalb keine Predigerkanzel (minbar), jedoch immer eine Gebetsnische (mihrab) enthält. Wie man sieht, hat der Innenraum umfangreiche Umbauten in jüngerer Zeit gesehen, und es erinnert Innen nichts mehr an das Jahrhunderte währende Alter der Moschee. Alles ist in der Moderne restauriert worden, wobei es auch geboten erschien, dieser Mescit einen Minbar (Predigerkanzel) zu spendieren.

Kantacılar Mescidi von innen, mittig Gebetsnische (mihrab) und
Predigerkanzel (minbar)


Die Wände sind über und über mit Fliesen im klassischen osmanischen Iznik Stil gefüllt, allerdings Produkte der modernen Massenproduktion des 20. Jahrhunderts, und mit wenig Kunstverstand ausgewählt, denn dadurch erinnert stellenweise das Innere mehr einem Badezimmer, als an eine osmanische Moschee. Nach dem Motto Viel hilft Viel, wurde hier ein- und dasselbe Muster repetitiv viel zu viel gefliest, außerdem mit einer Fliese, die wenig Weiß enthält, und dadurch den Arabesken keine Luft zum Atmen lässt, und durch die Wiederholung diesen gedrungenen Effekt noch verstärkt. Die Restauratoren haben wohl leider nur oberflächlich die Osmanische Kunst verstanden. Ähnliche wirkende Ver(sch)wendung von Fliesendekor in Moscheen lässt sich auch in deutschen Moscheen beobachten. Übrigens kann man als Laie recht einfach erkennen, aus welcher Zeit eine Iznik Fliese stammt. Klassische Iznik Fliesen der Blütezeit des 16. Jahrhunderts haben ein leuchtendes sogenanntes Bolusrot. Vor dieser Blütezeit und danach, wurde dieses Rot nie mehr erzielt, bis auf die letzten Dekaden, wo dieses Rot durch Kunsthandwerker wieder hergestellt werden konnte. Flachdächer sind übrigens nicht nur für Mescits öfters eine Wahl des Baumeisters gewesen, sondern gelegentlich auch bei den größeren Freitagsmoscheen, also Camis.


Kantacılar Mescidi von innen, Flachdach. Mit Ventilatoren.